Regionaldirektion Nord
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Guido Bergel
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Sonderfälle
Vorübergehende Beschäftigung von Seeleuten als Bauaufsicht
Ein Einsatz von Seeleuten als Bauaufsicht auf Werften wird sozialversicherungsrechtlich grundsätzlich als eine Beschäftigung an Land eingestuft. Damit dem Seemann in der Seemannskasse aber keine Nachteile bei der Wartezeit für das Überbrückungsgeld entstehen, können Beschäftigungen an Land unter folgenden Voraussetzungen weiterhin als Seefahrtzeit behandelt werden:
- Die Landbeschäftigung darf nur vorübergehend ausgeübt werden. Als „vorübergehend“ gilt eine Landbeschäftigung nur dann, wenn diese die Dauer von 6 Monaten voraussichtlich nicht überschreitet. Stellt sich im Laufe der Landbeschäftigung heraus, dass diese länger als 6 Monate dauern wird, endet die Einstufung als Seefahrtzeit mit dem Tage der entsprechenden Feststellung. Für die Vergangenheit bleibt es bei der bisherigen Beurteilung.
- Die Zeit der vorübergehenden Landbeschäftigung muss unmittelbar in Zusammenhang mit der seemännischen Beschäftigung stehen.
- Der Seemann kehrt nach einer vorübergehenden Landbeschäftigung wieder dauerhaft in den Schiffsbetrieb zurück.
Sofern diese drei Voraussetzungen erfüllt sind, liegt weiterhin eine seemännische Beschäftigung vor, mit der Folge, dass das Arbeitsentgelt weiterhin in den Lohnunterlagen für das seemännische Personal nachzuweisen ist. Die Beitragsberechnung richtet sich für die Dauer der Landbeschäftigung nach Abschnitt „G“ der Beitragsübersicht der BG Verkehr. Für die Dauer der Landbeschäftigung ist der Beköstigungssatz bei der Bildung der Durchschnittsheuer nicht zu berücksichtigen. Urlaubsansprüche teilen das Schicksal der Beschäftigung, aus der sich der Urlaubsanspruch ergibt.
Versicherung deutscher Seeleute auf Schiffen unter ausländischer Flagge
Der "Normalfall" ist einfach:
- deutsche Flagge = deutsches Sozialversicherungsrecht,
- ausländische Flagge = ausländisches Sozialversicherungsrecht.
Es gibt aber drei Ausnahmen: die Ausstrahlungs-, Antragsversicherung und die Versicherungspflicht nach Art. 11 Absatz 3 Bst. e) der Verordnung (EG) Nr. 883/04.
Die Ausstrahlungsversicherung (auch "Entsendung" genannt) hat folgende Voraussetzungen:
- Deutscher Seemann oder ausländischer Seemann mit Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland,
- Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland,
- befristetes Heuerverhältnis auf einem Schiff unter ausländischer Flagge (zum Beispiel bei einer befristeten Ausflaggung nach § 7 Flaggenrechtsgesetz),
- keine Anhaltspunkte dafür, dass Seemann nach Ende seines befristeten Heuerverhältnisses nicht wieder nach Deutschland zurückkehrt.
Liegen alle diese Voraussetzungen vor, ist der Seemann in allen Zweigen der deutschen gesetzlichen Sozialversicherung versichert. Besonderheiten gelten für die Entsendung auf Schiffe unter einer EU-Flagge; hier ist das EU-Recht vorrangig.
Die Antragsversicherung kommt in der Praxis nur selten zum Tragen und hat folgende Voraussetzungen:
- deutscher Reeder mit Sitz in Deutschland,
- deutscher Seemann,
- Tätigkeit auf Schiff unter ausländischer Flagge, das entweder im deutschen Seeschiffsregister eingetragen ist oder in einem ausländischen Seeschiffsregister + der Reeder hat ein überwiegendes wirtschaftliches Eigentum an dem Schiff.
In diesen Fällen muss der Reeder einen Antrag auf Aufnahme seiner deutschen Seeleute in der deutschen gesetzlichen Sozialversicherung stellen. Der Reeder kann den Umfang der Versicherung wählen:
- in allen Sozialversicherungszweigen oder
- nur in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie in der Seemannskasse (also ohne Unfallversicherung).
Die Versicherungspflicht nach Art. 11 Absatz 3 Bst. e) der Verordnung (EG) Nr. 883/04 ist zu prüfen, wenn die Voraussetzungen für eine Versicherung kraft Ausstrahlung nicht erfüllt sind, weil zum Beispiel das Heuerverhältnis bei einem ausländischen Arbeitgeber in einem anderen EU-/EWR-Mitgliedstaat oder der Schweiz besteht und die Tätigkeit auf einem Schiff unter Flagge eines Drittstaats ausgeübt wird.
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 08.05.2019 (C-631/17) ist für Personen,
- die Angehörige eines Mitgliedstaates der EU/EWR oder der Schweiz sind,
- als Seemann an Bord eines unter der Flagge eines Drittstaats fahrenden Schiffes beschäftigt werden und
- deren Arbeitgeber seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnmitgliedstaat des Seemannes hat,
das Sozialversicherungsrecht des Wohnmitgliedstaats des Seemanns anzuwenden (Art. 11 Absatz 3 Bst.e) der Verordnung (EG) Nr. 883/04).
Wird also ein Seemann für einen in einem Mitgliedstaat ansässigen Arbeitgeber auf einem unter der Flagge eines Drittstaats fahrenden Schiffes tätig und behält er seinen Wohnsitz in seinem Herkunftsmitgliedstaat, gilt nach diesem Urteil des Europäischen Gerichtshofs das nationale Recht des Wohnmitgliedstaats des Seemanns.
Für Seeleute mit Wohnsitz in Deutschland gilt in diesen Fällen somit das deutsche Sozialversicherungsrecht.
Bei der Prüfung des Wohnsitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthalts sind die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend. In Zweifelsfällen ist auf den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse (persönliche, familiäre, wirtschaftliche Bindungen im Inland) abzustellen.
Ausländische Arbeitgeber mit sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern in Deutschland müssen nach § 28f Abs. 1b SGB IV ab 01.01.2021 einen Bevollmächtigten in Deutschland bestellen, der für künftige Betriebsprüfungen zwingend Entgeltunterlagen in deutscher Sprache führen und aufbewahren muss.
Die Knappschaft hat zur Ausstrahlungs-, Antragsversicherung und zur Versicherungspflicht nach Art. 11 Absatz 3 Bst. e) der Verordnung (EG) Nr. 883/04 ein Merkblatt herausgegeben.