Krabbenfischer: Zwischen Zweifel und Zuversicht

Einerseits zu viele bürokratischen Hürden, andererseits so viele Berufsanfänger wie lange nicht mehr – die Stimmung auf den Fischereitagen in Neuharlingersiel und Friedrichskoog schwankte zwischen Ärger und Aufbruch. Lichtblicke in der deutschen Krabbenfischerei sind unter anderem das Projekt "Fischkutter der Zukunft" und die Zukunftskommission Fischerei. (10.03.2024)

Ein Thema bestimmte die Fischereiversammlungen am 1. März in Neuharlingersiel und 8. März in Friedrichskoog wie kein anderes: Der Aktionsplan der EU-Kommission zum Verbot der Grundschleppnetz-Fischerei in Meeresschutzgebieten. Im Februar 2023 hatte die Kommission die EU-Mitgliedsstaaten aufgefordert, die Fischerei mit Grundschleppnetzen in Natura-2000-Gebieten bis Ende März 2024 und in allen Meeresschutzgebieten der EU bis spätestens 2030 zu verbieten (vgl. unsere Nachrichten vom 21.3.2023 und 10.5.2023). Das pauschale Verbot hätten den Krabbenfischern ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen, denn brauchbare Alternativen zu den Grundschleppnetzen gibt es nicht. Nach Protesten der betroffenen Fischer sowie zahlreicher Politiker ist die EU-Kommission mittlerweile von ihren ursprünglichen Plan abgerückt. Das Europäische Parlament fordert nunmehr in einer Entschließung, dass es keine pauschalen Verbote geben dürfe, regionale Lösungen im Dialog mit den Betroffenen gefunden und wissenschaftliche Ergebnisse stärker beachtet werden müssen. Dazu gehört auch das Forschungsprojekt CRANIMPACT des deutschen von-Thünen-Instituts, in dem wissenschaftlich nachgewiesen wurde, dass die Krabbenfischerei nur einen geringen Einfluss auf den Meeresboden hat. Dennoch: Die Fischerei bleibt skeptisch und empfindet den Aktionsplan weiterhin als Damoklesschwert, das über ihrer Branche schwebt und dringend notwendige Investitionen in die Erneuerung der Kutterflotte verhindert.

Auf den Fischereitagen kritisierten die Küstenfischer auch die aus ihrer Sicht zu hohen bürokratischen Vorgaben, unter anderem:

  • die neueste Änderung der EU-Fischerei-Kontrollverordnung, nach der auch die Krabbenfischer jeden einzelnen Fang (Hol) dokumentieren müssen – bei bis zu 20-30 Hols am Tag ein hoher Verwaltungsaufwand,
  • die EU-Taxonomie-Verordnung, die eine Kreditvergabe für den Bau von neuen Fischkuttern erschwere, wenn die Küstenfischerei nicht als nachhaltig eingestuft werde,
  • das deutsche Lieferkettengesetz, das zwar erst ab 1.000 Arbeitnehmer/-innen gelte, aber trotzdem viele Fischer treffe, da sie Lieferanten für größere Unternehmen seien.

Für Diskussionen auf dem Fischereitag in Neuharlingersiel sorgte die Überlegung niederländischer Krabbenfischer, aus der gemeinsamen Zertifizierung des Nachhaltigkeits-Siegels MSC (Marine Stewardship Council) auszusteigen. Der Vorsitzende des Landesfischereiverbandes Weser-Ems, Dirk Sander, sprach sich dagegen vehement für den Verbleib aller deutschen, dänischen und niederländischen Krabbenfischer in der MSC-Zertifizierung aus.

Philipp Oberdörffer, Fischereiexperte der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, berichtete über das Fangjahr 2023. Die 63 Mitgliedsbetriebe des Landesfischereiverbandes Weser-Ems verzeichneten mit 1.881 Tonnen angelandeter Nordseekrabben einen Rückgang zum Vorjahr von 30 Prozent. Neben den üblichen Schwankungen sehe man bei den Fangerträgen seit 2019 leider eine Grundtendenz nach unten, so Oberdörffer. Dies habe auch Auswirkungen auf die Fischereiflotte: Allein im letzten Jahr hätten zehn Krabbenfischerei-Betriebe an der niedersächsischen Küste aufgehört. "Da kommt etwas ins Rutschen", warnte der Fachmann.

Aber es gibt auch Positives von den Fischereitagen zu berichten. Gerold Conradi, 2. Vorsitzender des Landesfischereiverbandes Weser-Ems, stellte in Neuharlingersiel neun Jungfischer vor, die neu in der Krabbenfischerei angefangen haben und so für die Zukunft dieser Branche stehen.

Hinzu kommt, dass die Krabbenfischerei auf die Unterstützung der Küste setzen kann. Ende Januar hatte ein Bündnis aus ostfriesischen Kommunen, der Tourismusbranche und der Industrie- und Handelskammer mit dem "Zukunftspakt Küstenfischerei 2050" konkrete Vorschläge zum Erhalt der Küstenfischerei vorgelegt. Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des dreiseitigen Papiers fordern unter anderem ein "verbrieftes Fischereirecht" im Küstenmeer, durch das Fanggebiete und Fangmöglichkeiten der Küstenfischer erhalten bleiben sollen. Ein weiterer Vorschlag ist die Einrichtung eines Fischereifonds unter anderem zur Modernisierung von Schiffen, für die bessere Vermarktung von Fischereiprodukten und die Fischerei-Forschung.

Für Zuversicht sorgt auch das Projekt "Fischkutter der Zukunft", das Prof. Dr.-Ing. Jann Strypny von der Hochschule Emden/Leer zusammen mit mehreren Partnern vorantreibt. Der knapp 19,5m lange Kutter soll neue Maßstäbe in der Küstenfischerei in puncto Klimaneutralität (methanol-elektrischer Antrieb), Schiffssicherheit und Komfort an Bord setzen. Außerdem soll das Schiff multifunktional einsetzbar und durch eine spätere Serienproduktion bezahlbar sein (zu den Einzelheiten: vgl. Nachricht vom 19.04.2023). Die Finanzierung des Prototyps des Kutters soll bis zum Sommer stehen. Die Deutsche Flagge unterstützt das Projekt.

Mit einem 9-Punkte-Plan hatte die "Leitbildkommission zur Zukunft der deutschen Ostseefischerei" Im Dezember 2023 konkrete Vorschläge zur Zukunft der deutschen Ostseefischerei vorgelegt (vgl. Nachricht vom 5.1.2024). Mit der Zukunftskommission Fischerei wird dieser breit angelegte Diskussionsprozess von Fischerei- und Umweltverbänden, Ministerien und Behörden auf die Nordsee-Fischerei ausgeweitet. Die Zukunftskommission wird Ulrike Rodust leiten, ehemalige Abgeordnete des schleswig-holsteinischen Landtags (1993-2005) und des Europaparlaments (2008-2019).

Die Deutsche Flagge präsentierte auf den Fischereitagen ihren neuen Stabilitäts-Leitfaden für Fischereifahrzeuge, mit dem die deutschen Küstenfischer für das wichtige Thema Stabilität ihrer Fischkutter sensibilisiert werden sollen (vgl. Nachricht vom 27.2.2024). Der Stabilitäts-Leitfaden ist auf deutsche-flagge.de herunterladbar.