100 Jahre Schlepp- und Bergungsreederei Otto Wulf
Im Jahr 1921 erwirbt der Fischer und Matrose Otto Wulf aus dem Nachlass der kaiserlichen Marine einen 20m langen ehemaligen Kabelleger und rüstete ihn zum Bergungsfahrzeug "Taucher O. Wulf" um. Dieser kleine Schlepper erweist sich als ideal im flachen Seerevier der Außenelbe und ermöglicht dem umtriebigen Firmengründer, mit dem Bergen vor allem von Ankern sein Geschäft aufzubauen. Als offizielle Geburtsstunde des Unternehmens gilt der 11. Juli 1922, als Otto Wulf sein Gewerbe als Tauch- und Bergungsgeschäft offiziell anmeldet. Schnell kommt Otto Wulf ins Geschäft, kennt er doch die Leuchtturmwärter an der Küste, die ihm wertvolle Hinweise auf verlorengegangen Anker geben.
Großes Aufsehen erregt die junge Firma, als es den Männern um Otto Wulf im Januar 1930 gelingt, den bei Westerhever vor der Halbinsel Eiderstedt gestrandeten griechischen Dampfer "Konstantis Lemos" wieder flottzumachen. Ab 1932 erweitert das Unternehmen sein Portfolio um einen regelmäßigen Eilfrachtdienst zwischen Cuxhaven und Hamburg. Auch das Bergungsgeschäft floriert, so dass Otto Wulf weitere Schiffe in Dienst stellen kann. 1937 kommt es zu einer Kollision des Motorschiffs "Otto Wulf I" und einem Frachtsegler; das Wulf-Schiff sinkt, wird aber später geborgen.
Im zweiten Weltkrieg beschlagnahmt die Kriegsmarine den gerade ausgelieferten neuen Schlepper "Taucher O. Wulf II". Auch die anderen Schiffe der Reederei werden für Bergungseinsätze in der Ostsee eingesetzt. Trotz der großen Gefahren bei den Bergungseinsätzen und Angriffen von Tieffliegern bleiben die Mannschaften und Schiffe der Reederei Otto Wulf unbeschadet. Nach Kriegsende 1945 wechseln die Schiffe nochmals kurzzeitig den Besitzer, da die Briten die Wulf-Schiffe für das Bergen von Schiffswracks und Aufräumarbeiten einsetzen.
Die Nachkriegszeit bedeutet Aufschwung für die Reederei Otto Wulf. Das Unternehmen kauft neue Schlepper und festigt ihre Position im Bergungsgeschäft. 1952 stellt Otto Wulf zusammen mit Kapitän Jakob von Eitzen den Prototyp der von ihnen entwickelten Rettungskugel vor. Anstelle der offenen Rettungsboote, die im Sturm mit Wasser volllaufen können, präsentieren die beiden eine rund 3m große Metallkugel, die bis zu 25 in Seenot geratenen Seeleuten Sicherheit bieten soll. Die Rettungskugel wird patentiert, kann sich aber wegen ihres hohen Gewichtes in der Praxis nicht durchsetzen. Gleichwohl gilt sie als Vorreiter der heutigen Freifallrettungsboote und ist "ihrer Zeit voraus", wie die Reederei Otto Wulf in ihrer Firmenchronik feststellt. 1955 verstirbt der Firmengründer Otto Wulf; ein Jahr später tritt die dritte Generation der Familie Wulf, Hans Joachim Wulf, in das Unternehmen ein. 1962 übernimmt die Reederei den Versetzdienst für Lotsen vor Cuxhaven und führt ihn bis zum Jahr 2000 durch, bevor der Lotsbetriebsverein diese Aufgabe übernimmt.
1975 kauft die Reederei ihren ersten Transportponton und steigt damit in das Geschäft mit Seetransporten ein – ein Bereich, der bis heute ein Standbein des Unternehmens ist.
Das Jahr 1982 bringt das Unternehmen Otto Wulf in die Schlagzeilen, als ihr im Ärmelkanal die spektakuläre Bergung der "Mary Rose" gelingt, dem 1545 gesunkenen einstigen Stolz der britischen Marineflotte. 1986 erhält die Reederei einen Großauftrag für Rohöltransporte von der neuen Ölförderplattform "Mittelplate A" im Wattgebiet vor Trischen. Nach dem Fall der Mauer engagiert sich das Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern und gründet 1993 eine Zweigniederlassung in Rostock.
2005 kommt ein neues Standbein für die Reederei Otto Wulf hinzu: Der Flugzeugbauer Airbus beauftragt die Cuxhavener mit dem Transport von Rumpfschalen für den Airbus A380. 2009 wird dafür der Spezialfrachter "Kugelbake" in Dienst gestellt – "Deutschlands einziger Flugzeugträger", wie Geschäftsführer Andreas Wulf sein Schiff schmunzelnd nennt.
Auf der "Kugelbake" fand Ende September die Jubiläumsfeier "100 Jahre Otto Wulf" statt. In einem Video-Grußwort brachte Olaf Lies, niedersächsischer Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz, die Bedeutung der in Cuxhaven ansässigen Reederei auf den Punkt: "100 Jahre Otto Wulf sind 100 Jahre Sicherheit, denn wenn es Probleme auf See gibt, dann sind die Schiffe von Otto Wulf da", so der Minister.
Aktuell steht mit den Geschäftsführern Andreas und Sören Wulf die 4. Generation der Familie Wulf am Steuer des Familienunternehmens. Die 5. Generation, Tobias und Jan-Niklas Wulf, schickt sich an, die Erfolgsgeschichte der Reederei Wulf in Cuxhaven fortzuführen.