Bericht zum tödlichen Unfall auf der "Sajir"
Die Fachleute der BSU beschreiben in ihrem 72-seitigen Bericht detailliert den Unfallhergang und die Ergebnisse ihrer Untersuchung und leiten daraus ihre Schlussfolgerungen und Sicherheitsempfehlungen ab. Mit den Empfehlungen wollen die Ermittler unter anderem vergleichbare Gefährdungen auf anderen Schiffen reduzieren, die gemachten Erfahrungen mit der medizinischen Ausstattung unter deutscher Flagge verbreiten und auf die Hilfsangebote für Seeleute nach traumatisierenden Ereignissen hinweisen.
Der Anlass für die umfangreiche Unfalluntersuchung war der Tod eines philippinischen Seemanns am 19. Dezember 2019 auf dem deutschflaggigen Containerschiff "Sajir" (mittlerweile umbenannt in "Brussels Express"). An diesem Tag hatte das knapp 370m lange Schiff auf der Reede vor dem chinesischen Hafen Ningbo gelegen. Der 41-jährige Bootsmann war zur Kontrolle der leeren Laderäume durch ein Mannloch auf die Oberseite einer Umhausung des Maschinenraums im Ladebereich gestiegen. Diese knapp acht Meter hohe Umhausung war an den Rändern nicht gegen Absturz gesichert. In der Dunkelheit des Laderaums erkannte der Seemann die Gefahr nicht und stürzte von der Umhausung knapp acht Meter in die Tiefe.
Die Besatzung leistete sofort Erste Hilfe, transportierte den Schwerverletzten unter schwierigen Bedingungen in das Bordhospital und sorgte mit Unterstützung des funkärztlichen Beratungsdienstes Cuxhaven für die medizinische Notfallversorgung. Die behandelnden Offiziere setzten den halbautomatisierten Defibrillator ein, als 3,5 Stunden nach dem Unfall der Pulsschlag des Seemanns aussetzte. Dennoch erlag der Seemann seinen schweren Verletzungen. Der sofort nach dem Unfall per Funk angeforderte Notarzt traf erst eine Stunde nach Feststellung des Tods des Seemanns an Bord ein, obwohl die "Sajir" kurz nach dem Unfall die Reede verlassen und in Richtung Hafen gefahren war.
Die BSU untersuchte den Unfall vor allem unter den Gesichtspunkten des Arbeitsschutzes (u. a. zu Absturzgefahren in Laderäumen), zur Schiffsbesetzung (u. a. zur Kommunikationskultur) und zum Notfallmanagement (u. a. medizinische Notfallversorgung an Bord, Unterstützung von Seeleuten nach traumatisierenden Ereignissen). Die wichtigste Verbesserung des Arbeitsschutzes: Um derartige Unfälle künftig zu verhindern, sehen die angepassten Sicherheitsempfehlungen der BSU die Ausleuchtung und deutliche Kennzeichnung solcher Gefahrstellen vor. Bisher gab es hierzu keine konkreten Vorgaben.
Hinsichtlich des Notfallmanagements betont die BSU die Vorteile der medizinischen Ausstattung und Versorgung unter deutscher Flagge und empfiehlt diesen hohen Standard auch für Schiffe anderer Flaggen. Zu dem aufeinander abgestimmten System der medizinischen Versorgung gehört die standardisierte Bordapotheke mit festgelegtem Stauplan und den Rettungstragen, die Unterstützung durch den funkärztlichen Beratungsdienst (TMAS) Cuxhaven, die medizinische Erst- und Wiederholungsausbildung von Kapitänen und Schiffsoffizieren und das "Medizinische Handbuch See". Die BSU stellt dazu fest: "Der Besatzung kam die gute medizinische Ausstattung des Schiffshospitals, die medizinische Ausbildung des Kapitäns und der nautischen Schiffsoffiziere sowie die medizinische Beratung durch TMAS Germany zu Gute. Insbesondere der Defibrillator erleichterte den im Schiffshospital handelnden Offizieren die medizinische Notfallversorgung."
Zum Notfallmanagement gehört auch die richtige Nachsorge bei Seeleuten nach solchen tödlichen Unfällen an Bord. In Ihrem Bericht weist die BSU auf die Unterstützung durch die Trauma-Lotsen der BG Verkehr sowie auf die zentrale Anlaufstelle der Deutschen Seemannsmission für Psychosoziale Notfallversorgung von Seeleuten hin. Die Unfallermittler schlagen in ihren Sicherheitsempfehlungen auch in diesem Bereich Verbesserungsmöglichkeiten vor.
Der gesamte Untersuchungsbericht einschließlich der Sicherheitsempfehlungen ist auf der Website der BSU herunterladbar