Neue Regelungen zur Schiffssicherheit
Mit der am 30. November 2024 in Kraft getretenen "Ersten Verordnung zur Änderung schiffssicherheitsrechtlicher Vorschriften" hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) vor allem der Schiffssicherheitsverordnung (SchSV) umfassend geändert. Auf der Website gesetze-im-internet.de finden Sie die konsolidierte Fassung der geänderten Schiffssicherheitsverordnung. Das BMDV hat auch die Seesportbootverordnung (SeeSpbootV) hinsichtlich gewerbsmäßig genutzter Sportboote geändert. Die konsolidierte Fassung der geänderten SeeSpbootV ist ebenfalls auf der Website gesetze-im-internet.de zu finden.
Die wichtigsten Änderungen und Regelungen im Überblick:
- Die Sicherheitsanforderungen an gewerbsmäßig genutzte Kleinfahrzeuge (z. B. Wassertaxis) werden erhöht.
- Kleinfahrzeuge, die nicht gewerblich zu ideellen Zwecken eingesetzt werden, benötigen keine Schiffssicherheitszeugnisse.
- Die Schiffssicherheitsverordnung gilt auch nicht für Sportboote, die nur privat zu Sport- und Freizeitzwecken bestimmt sind.
- Die bisher erforderlichen Gleichwertigkeitsbescheinigungen für kleinere Schiffe unter ausländischer Flagge in deutschen Küstengewässern entfallen.
- Der Einsatz von kleinen Fahrgastschiffen in der Wattfahrt und für die Helgoländer Hafenfähre wird vereinfacht.
- Für die Magnetkompassregulierung von Schiffen sind keine staatlich bestellten Prüfer mehr erforderlich.
- Behörden können für ihre Behördenschiffe ein eigenes Besichtigungswesen anwenden.
- Für Traditionsschiffe gelten längere Übergangsfristen.
Zu den Regelungen im Einzelnen:
1. Höhere Sicherheitsanforderungen für gewerbsmäßig genutzte Kleinfahrzeuge
Den Schwerpunkt der aktuellen Verordnungsänderung bilden erhöhte Sicherheitsanforderungen für gewerbsmäßig genutzte Kleinfahrzeuge. Damit will das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) das Gefährdungspotenzial dieser Kleinfahrzeuge verringern.
Eine gewerbsmäßige Nutzung liegt nach der Schiffssicherheitsverordnung (SchSV) dann vor, wenn öffentlich einem unbestimmten Personenkreis mit einer gewissen Regelmäßigkeit die Beförderung von Personen oder Ladung oder die Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt angeboten wird – unabhängig von einer steuerrechtlichen Einschätzung. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich. Eine gewisse Regelmäßigkeit liegt dann vor, wenn es sich nicht nur um eine ganz vereinzelte und seltene entgeltliche Nutzung im Ausnahmefall zu einem geringen Betrag handelt.
Die nunmehr geänderte Schiffssicherheitsverordnung (SchSV) definiert Kleinfahrzeuge als Frachtschiffe mit einer Länge unter 24m Länge. Darunter fallen unter anderem:
- Fahrzeuge unter 8m Länge, für die es bisher zwar Schiffsbesetzungsvorgaben, jedoch keine verbindlichen Sicherheitsstandards nach der SchSV gab,
- Wassertaxis und andere Fahrzeuge, mit denen gewerbsmäßig bis zu 12 Fahrgäste befördert werden,
- Fahrzeuge zur sonstigen gewerbsmäßigen Nutzung,
- Sportausbildungsfahrzeuge ab 8m Länge, die für die Ausbildung zum Erwerb insbesondere von Sportbootführerscheinen eingesetzt werden,
- Kojencharterboote,
- Fahrzeuge, die mit Gestellung einer Besatzung gegen Entgelt zu Sport- und Freizeitzwecken überlassen werden.
Nach den aktuellen Änderungen der SchSV und der SeeSpbootV gelten unter anderem folgende Vorgaben für gewerbsmäßig genutzte Kleinfahrzeuge:
- Sie benötigen Schiffssicherheitszeugnisse der BG Verkehr und werden durch diese regelmäßig besichtigt.
- Sie müssen grundsätzlich nach den Vorschriften einer Klassifikationsgesellschaft oder der EU-Sportbootrichtlinie (Richtlinie 2013/53/EU) gebaut worden sein und unterliegen den Regeln in Kapitel 3 des Teil 6 der Anlage 1a SchSV.
- Sie dürfen in einem Fahrtbereich fahren, der abhängig von Bootsart und Entwurfskategorie ist (individuell bei Kojencharter, Überlassung eines gewerbsmäßigen "Sportbootes" mit Besatzung und Sportausbildung).
Werden mit Kleinfahrzeugen gewerbsmäßig Fahrgäste befördert (wie z. B. bei Wassertaxis), gelten zusätzliche Anforderungen:
- Es sind nur Fahrzeuge der Entwurfskategorie „B“, die nicht offen sind, zulässig.
- Die Fahrzeuge müssen über ein Automatisches Schiffsidentifizierungssystem (AIS) der Klasse A verfügen.
- Vor Fahrtantritt ist eine Sicherheitseinweisung für alle Fahrgäste zwingend erforderlich.
- Es gelten wetterbedingte Einschränkungen.
- Es dürfen maximal 12 Fahrgäste befördert werden.
Gewerbsmäßige Fahrgastbeförderung liegt vor, wenn öffentlich einem unbestimmten Personenkreis mit einer gewissen Regelmäßigkeit eine Beförderung von Fahrgästen gegen Entgelt angeboten wird; eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich.
Es gelten verschiedene Übergangsfristen für bereits in Betrieb genommene Kleinfahrzeuge und gewerbsmäßig genutzte Sportboote, die in der Vergangenheit bereits über ein Sicherheitszeugnis der BG Verkehr verfügt haben:
- Für Fahrzeuge mit einer Länge von unter 8 m, die bis zum 29.11.2024 bereits in Betrieb waren und zur gewerbsmäßigen Fahrgastbeförderung verwendet werden, gilt die Sicherheitszeugnispflicht für Kleinfahrzeuge nach der SchSV ab dem 01.06.2025.
- Für Fahrzeuge mit einer Länge von unter 8 m, die bis zum 29.11.2024 bereits in Betrieb waren und zur sonstigen gewerbsmäßigen Nutzung verwendet werden, gilt die Sicherheitszeugnispflicht für Kleinfahrzeuge nach der SchSV ab dem 01.06.2026.
- Für Fahrzeuge, die vor dem 30.11.2024 über ein Sicherheitszeugnis für gewerbsmäßig genutzte Sportboote verfügt haben und weiterhin nur für derartige Verwendungen eingesetzt werden, können die Zeugnisse bis maximal Ende 2033 erneuert werden.
Für folgende Fahrzeuge kann ein Sicherheitszeugnis nach der SchSV und der SeeSpbootV ausgestellt werden:
- Fahrzeuge, die zum Überlassen einer Koje oder Kabine gegen Entgelt zu Sport- und Freizeitzwecken (Kojencharterboot),
- Fahrzeuge, die mit Gestellung eines Bootsführers oder einer Besatzung gegen Entgelt zu Sport- und Freizeitzwecken überlassen (vermietet) werden,
- Sportausbildungsfahrzeuge (ab 8m Länge).
2. SchSV gilt nicht für nicht gewerblich zu ideellen Zwecken eingesetzte Kleinfahrzeuge
Kleinfahrzeuge, die nicht gewerblich zu ideellen Zwecken eingesetzt werden, unterfallen nicht den Regelungen der Schiffssicherheitsverordnung (SchSV). Dazu gehören unter anderem Vereinsfahrzeuge unter 24m Länge von Seenotrettungsorganisationen, die privat organisierte Seenotrettung z. B. im Mittelmeer durchführen und die nicht im Rahmen eines Chartervertrages als Kauffahrteischiffe einzustufen sind. Ausgenommen sind auch Kleinfahrzeuge, die zu anderen nicht gewerblichen ideellen Zwecken (z.B. Umweltschutz, wissenschaftliche Meeresbeobachtung) eingesetzt werden.
3. SchSV gilt nicht für Sportboote, die privat zu Sport- und Freizeitzwecken bestimmt sind
Unverändert gilt die Schiffssicherheitsverordnung (SchSV) nicht für Sportboote, die privat zu Sport- und Freizeitzwecken genutzt werden. Der Begriff "Sport- und Freizeitzwecke“ umfasst nach der SchSV den privaten Einsatz eines Fahrzeugs zu wassersportlichen Aktivitäten, zur Fortbewegung, zur Erholung oder zum Vergnügen. Damit sind Sport- und Freizeitaktivitäten wie Segelsport, Motorbootsport, Angeln oder Tauchen umfasst – wenn sie nicht gewerbsmäßig erfolgen.
Die Verwendung zu ideellen Zwecken fällt nicht unter den Begriff der "Sport- und Freizeitzwecke" (vgl. obiger 2. Punkt), dennoch entfällt die Sicherheitszeugnispflicht bei nicht gewerblichen Einsätzen.
4. Wegfall der bisherigen Gleichwertigkeitsbescheinigungen
Bisher benötigten gewerblich betriebene Seeschiffe unter ausländischer Flagge (auch EU-Flagge), die auf deutschen Seeschifffahrtsstraßen und innerhalb der deutschen Küstengewässer (12 Seemeilen-Bereich) eingesetzt wurden und keine internationalen Zeugnisse nach dem SOLAS-Übereinkommen hatten, eine Gleichwertigkeitsbescheinigung der BG Verkehr. In der Praxis betraf dies vor allem Offshore-Zubringerschiffe (sogenannte Crew-Transfer-Vessel).
Mit der jetzt in Kraft getretenen Änderung der Schiffssicherheitsverordnung entfällt ab sofort die Verpflichtung für Gleichwertigkeitsbescheinigungen. Damit dereguliert das BMDV die Küstenschifffahrt mit Blick auf die EU-Dienstleistungsfreiheit und den Ausbau der Offshore-Windenergie. Die bisherige Überprüfung der Gleichwertigkeit bezog sich zwar nicht nur auf Schiffe unter einer EU-Flagge, aber der Verordnungsgeber hat ein gesondertes Überwachungssystem nur für Nicht-EU-geflaggte Schiffe als zu aufwendig eingeschätzt.
5. Vereinfachen des Einsatzes von kleinen Fahrgastschiffen in der Wattfahrt und für die Helgoländer Hafenfähre
Die bestehenden besonderen Regelungen für Schiffe in der Wattfahrt bleiben erhalten, werden aber durch eine neue Fahrtbeschränkung für neue Schiffe ergänzt. Bei Orkan mit einer Windstärke von 12 Beaufort dürfen Schiffe, die nach dem 30.11.2024 gebaut werden, keine Fahrt antreten; dies entspricht der jetzigen Praxis.
Für die Hafenfähre, die zwischen der Helgoländer Hauptinsel und der Düne verkehrt, wird ein eigener Sicherheitsstandard geschaffen. Zudem wird das Seegebiet zwischen der Hauptinsel Helgoland und der Düne als Hafengebiet kategorisiert und die Seekarte entsprechend geändert.
6. Wegfall der Beschränkung der Magnetkompassregulierer
Bisher durfte die Regulierung von Magnetkompassen auf deutschflaggigen Schiffen nur durch solche Personen vorgenommen werden, die vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie oder einen IMO-Mitgliedsstaat anerkannt waren. Diese Vorgabe entfällt mit der Änderung der Schiffssicherheitsverordnung. Damit werden die Anforderungen an deutschflaggige Schiffe an die internationalen Verfahren angepasst. Außerdem standen im Ausland nur selten vom BSH oder einem IMO-Mitgliedsstaat anerkannte Kompassregulierer zur Verfügung.
7. Eigenes Besichtigungswesen für Behördenschiffe möglich
Durch eine Ausnahmeregelung in der Schiffssicherheitsverordnung haben Behörden ab sofort die Wahlmöglichkeit, für die Frachtschiffe in ihrem Dienst oder Auftrag entweder die Schiffssicherheitszeugnisse bei der BG Verkehr zu beantragen (wie bislang üblich) oder die Sicherheit ihrer Schiffe durch ein eigenständiges, behördeninternes
Besichtigungswesen selbstverantwortlich zu überwachen.
8. Verlängerung von Übergangsfristen für Traditionsschiffe
Mit der aktuellen Verordnungsänderung hat das BMDV die Übergangsfristen für die 2018 eingeführten neuen Sicherheitsanforderungen für Traditionsschiffe verlängert. Betreiber von Traditionsschiffen, die bis Ende 2024 einen Erneuerungsantrag gestellt haben, erhalten jetzt zusätzlich drei Jahre Zeit, die 2018 neu in Kraft getretenen Vorgaben zur Ausrüstung, Betriebssicherheitssystem und baulichen Anforderungen zu erfüllen. Damit berücksichtigt das BMDV, dass Traditionsschiffe während und nach der Covid-19-Pandemie nur wenig eingesetzt werden konnten und die Umsetzung der neuen Sicherheitsstandards in den Werften oder mithilfe von Fachkräften erschwert war.
Die genauen Änderungen können Sie dem Wortlaut der "Ersten Verordnung zur Änderung schiffssicherheitsrechtlicher Vorschriften" entnehmen. Auf der Website gesetze-im-internet.de finden Sie die Schiffssicherheitsverordnung und die See-Sportbootverordnung mit den aktuell in Kraft getretenen Änderungen.