Elektronisches Seekartendarstellungs- und Informationssystem (ECDIS)
ECDIS ist ein interaktives elektronisches Navigationsinformationssystem für Schiffe, das es ermöglicht, die Seekarte, die aktuelle Position des Schiffes sowie seine Bewegung und viele Zusatzinformationen (Radar, AIS, Echolot, ...) gleichzeitig am Bildschirm darzustellen. Es unterstützt den Nautiker bei der Routenplanung und -überwachung und bietet Funktionen zur automatischen Alarmierung vor bestimmten Gefahrensituationen.
Eine amtlich zugelassene ECDIS ist für die Verwendung auf Schiffen unter deutscher Flagge als gleichwertiger Ersatz der Papierseekarten in Übereinstimmung mit Regel 19.2.1.4 Kapitel V des SOLAS-Übereinkommens anerkannt.
Eine Ausrüstungspflicht mit ECDIS besteht nach SOLAS Kapitel V Regel 19.2.10 für folgende Schiffstypen:
- Fahrgastschiffe von 500 BRZ und mehr;
- Tankschiffe von 3 000 BRZ und mehr;
- Frachtschiffe, außer Tankschiffe, von 10 000 BRZ und mehr;
- Frachtschiffe, außer Tankschiffe, von 3 000 BRZ und mehr, jedoch weniger als 10 000 BRZ, die am oder nach dem 1. Juli 2014 gebaut wurden.
Die Entscheidung, ob bei der Ausrüstung eines Schiffes mit ECDIS vollständig auf das Mitführen von Papierseekarten verzichtet werden kann, ergibt sich aus MSC.232(82), Abschnitt 14 in Verbindung mit Anhang 6. Danach kann nur bei einer vollständigen, technischen Redundanz auf das Mitführen von Papierseekarten verzichtet werden.
Um die amtliche Papierseekarte an Bord von Seeschiffen vollständig durch ein ECDIS ersetzen zu können oder der Ausrüstungspflicht nachzukommen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Die ECDIS-Anlage muss von einer für die Baumusterprüfung amtlich benannten Stelle gemäß den anwendbaren Anforderungen der IMO und der IEC (International Electrotechnical Commission) geprüft und zugelassen worden sein.
- Die ECDIS-Anlage muss für das zu befahrende Seegebiet mit aktuellen amtlichen ENCs (Electronic Navigational Charts) betrieben werden. Amtliche ENC-Daten für Nord- und Mitteleuropa werden im IC-ENC (International Centre for ENCs) in Taunton (Großbritannien) bzw. im Datenzentrum PRIMAR Stavanger (Norwegen) zentral verwaltet (ECDIS-Datendienst siehe nachfolgende Mitteilung).
- Stehen für das zu befahrende Seegebiet noch keine amtlichen ENC-Daten zur Verfügung, so kann dort ersatzweise mit amtlichen Rasterdaten im „RCDS-mode“ navigiert werden; jedoch ist für diese Seegebiete in diesem Falle zusätzlich ein reduzierter Satz berichtigter amtlicher Papierseekarten an Bord mitzuführen. Die Auswahl dieser Seekarten obliegt dem Schiffsführer. Sie soll sich nach folgenden Vorgaben richten:
- zur Planung der beabsichtigten Reise oder Überfahrt Karten im Maßstab 1 : 750 000 bis 1 : 1 500 000;
- zur Durchführung der geplanten Reise oder Überfahrt auf offener See Karten im Maßstab 1 : 100 000 bis 1 : 500 000;
- zur Durchführung der geplanten Reise oder Durchfahrt in Küstengewässer mit hoher Verkehrsdichte oder bei der Ansteuerung von Revieren und Häfen Karten in einem besseren Maßstab als 1 : 100 000.
- Die ECDIS-Anlage muss für einen möglichen Ausfall mit geeigneten Rückfalleinrichtungen (Backup) für die sichere Beendigung der Schiffsreise abgesichert sein. Nach derzeitiger Vorschriftenlage kommt dafür:
- eine Doppelinstallation baugleicher ECDIS-Anlagen oder
- eine Installation einer zugelassenen ECDIS-Backup-Anlage zusätzlich zur ECDIS-Anlage oder
- das Mitführen eines vollständigen Satzes berichtigter amtlicher Papierseekarten in
Frage.
Die unter Punkt 3. erhobene Forderung nach dem Mitführen eines reduzierten Satzes aktueller berichtigter amtlicher Seekarten beim Gebrauch amtlicher Rasterdaten im „RCDS mode“ bleibt davon unberührt. Wird die Forderung nach einer Rückfalleinrichtung jedoch durch die Option 4 c) erfüllt, so kann der reduzierte Kartensatz selbstverständlich als Teil der Rückfalleinrichtung angesehen werden.
Wenn die genannten vier Voraussetzungen erfüllt sind, bedarf es keiner gesonderten Betriebsgenehmigung, um ECDIS-Anlagen anstelle der amtlichen Papierseekarte an Bord einzusetzen.